Die Lehre von Stuttgart 21: Die Bürger sollten künftig mehr Möglichkeiten bekommen, bei den Planungen von Projekten mitreden zu können. Daraus scheint nun nichts zu werden – es sei denn die Bürger hauen weiter auf den Putz. Die SPD bietet eine Perspektive.
In den letzten Monaten war viel davon die Rede, dass aus Stuttgart 21 gelernt werden müsse, künftig die Menschen mehr und rechtzeitiger in die Planungen von großen Projekten einzubinden. Mehr Transparenz, mehr Information, mehr Diskussion sollte selbstverständlich werden. Viele Politiker zeigten Reue und gelobten Besserung.
Wenn wir nun nicht aufpassen, dann wird daraus nichts werden. Dann wären das alles nur schöne Reden, die uns beruhigen sollten. Aus Berlin droht Gefahr, dass wir eher noch weniger mitreden dürfen.
Aus mehr Mitsprache fürs Volk wird nichts werden, wenn der Gesetzentwurf von Bundesinnenminister de Maizière (CDU) beschlossen werden sollte. Nach dem Entwurf des „Gesetzes zur Vereinheitlichung und Beschleunigung von Planfeststellungsverfahren“ soll den zuständigen Behörden die Möglichkeit eingeräumt werden, auf den bisher zwingend vorgeschriebenen öffentlichen Erörterungstermin zu verzichten.
Im Gesetzentwurf wird laut „FAZ“ argumentiert, dass öffentliche Erörterungen gerade bei einer großen Zahl von Einwänden kaum handzuhaben seien und auch keine befriedigende Wirkung hätten. Zum teil würde die öffentliche Diskussion gezielt durch Befangenheitsanträge und „sachfremde Erwägungen“ gestört. – Stellt sich natürlich gleich die Frage, wer entscheidet dann, was „sachfremde Erwägungen“ sind.
Ziel des Gesetzentwurfs ist, die Planungsphase für Großprojekte zu verkürzen. Wer sich das zum Ziel setzt, schränkt die Beteiligungsrechte der Bürger ein. Wer mehr informieren will, wer bereit sein will für mehr Diskussionen und offen für Anregungen, der darf das Zeitfenster nicht auch noch verkleinern wollen. Es ist offensichtlich, dass man zumindest im Bundesinnenministerium noch nicht gehört hat, was in Stuttgart die Glocken geläutet haben. „Das Gesetz ist offensichtlich nicht auf der Höhe der Zeit“, kommentierte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Oppermann. Am Schicksal dieses Gesetzentwurfs wird sich auch erweisen, was die Versprechungen in Stuttgart wert sind.
„Mehr Demokratie wagen!“ Diese Aufforderung von Willy Brandt will die SPD erneut aufgreifen. Der „Spiegel“ berichtet, es gäbe Pläne für Volksabstimmungen auf Bundesebene. In einem internen Papier fordere der Leiter der sogenannten Zukunftswerkstatt Demokratie und Freiheit, Saar-SPD-Chef Heiko Maas, das Grundgesetz zu ändern und Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide als Elemente direkter Demokratie zu ermöglichen. Die neue Form der Bürgerbeteiligung solle das parlamentarische Prinzip nicht ersetzen, zitiert das Magazin aus dem von Maas verfassten Papier. „Allerdings wird mit der Volksgesetzgebung eine weitere Säule der Gesetzgebung neben Bundestag und Bundesrat errichtet, in der Gesetzesinhalte durch Bürgerinnen und Bürger jederzeit ausgewählt und unmittelbar verbindlich entschieden werden können.“
– Allerdings wird auch der Erfolg dieser Ideen davon abhängen, wie viel Begeisterung von unten sie tragen werden. Aus Erfahrung wissen wir: ohne Druck läuft nichts.
Hermann Zoller