Kommentar von Hermann Zoller
Das ist ein Vorschlag, über den zu diskutieren es sich lohnt: Ulrich Grillo, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), hat etwas Schönes ausgerechnet: „Traditionell galt das Lebensalter minus 15 Jahre als angemessenes Renteneintrittsalter. Die Rente mit 65 bis 67 passt heute dazu. Wenn nun die Lebenserwartung alle 100 Jahre um 25 zunimmt, also alle vier Jahre durchschnittlich um ein Jahr, so könnte man das Renteneintrittsalter entsprechend anheben – wenn Menschen eines Tages 100 werden, würde sich rein theoretisch ein Renteneintrittsalter von 85 Jahren ergeben.“
Mit Zahlen kann man locker spielen. 100 Jahre sind auch noch nicht alltägliche Selbstverständlichkeit. Also ist die Grillo-Rechnung nur ein spielerisches Rühren im Sandkasten? – Könnte man meinen, ist es aber nicht. Hinter solchen manchem vielleicht albern erscheinenden Gedankensprüngen stehen ernsthafte strategisch gefeilte Ziele.
Die Renten sind in den letzten Jahren schon recht kräftig gestutzt worden und wenn sich nichts ändert, dann werden bald immer mehr Menschen im Alter ein finanzielles Problem bekommen, die Altersarmut wird zur Normalität werden. Trotz dieser Perspektive tauchen immer wieder neue Forderungen auf, die auf einen Abbau der Renten (und der Pensionen) zielen. Die Rente 67 ist ja schon in aller Munde; aber auch Forderungen in Richtung 70 oder gar 75 werden in die politische Landschaft gestellt, damit ja niemand auf die Idee kommt, dass es auch andere Lösungen für die Sicherung von Renten und Pensionen geben könnte.
Da erscheint der Grillo-Vorstoß doch ein bisschen aus dem Rahmen zu fallen; man müsste ihn also eigentlich nicht so richtig ernst nehmen. Mal abgesehen davon, dass seine Formel wenig mit wirtschafts- und sozialpolitischen Überlegungen zu tun hat – so hat es doch Methode, die 85 mal so ins Gespräch zu bringen. Schon beschäftigt sich die öffentliche Diskussion mit diesem Luftballon, ist also abgelenkt von den wirklichen Aufgaben, die unsere soziale Sicherheit stabilisieren sollen. Und nicht zuletzt wichtig ist: Wenn man vor der 85 erschreckt, dann ist die 70er oder 75er Rente doch eigentlich noch ganz passabel, zumindest das keinere Übel. So versucht man die Arbeitnehmer weich zu kochen.
Das sollten wir aber nicht mit uns machen lassen. Es ist ein schwieriges Feld: Da es aber um unser Leben geht, sollten wir uns mit der Rentenproblematik beschäftigen, mal darauf achten, wer da welche Interessen verfolgt und wie die Mechanik des Sozialstaates funktioniert. Es wir sich auszahlen und ein besseres, ein sorgenfreieres Leben ermöglichen.
Rente mit 85 – da freuen wir uns drauf? Nicht wirklich!
Hermann Zoller