Auf Scheiterhaufen brannten wochenlang Bücher. Wochenlang wurde in Deutschland von Menschen des Geistes, also Studenten, Professoren, sogar von Geistlichen der Geist mit den Waffen der Ketzerverfolgung auszulöschen versucht: dem Scheiterhaufen. Es ist ein schrecklicher Höhepunkt der Kampagne „Wider den undeutschen Geist“. Insgesamt sind 102 Bücherverbrennungen in über 90 Städten dokumentiert.
Dies ist aber erst der Anfang der Auslöschung „undeutscher“ Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Geführt wurde eine „Schwarze Liste“, die im Mai 1933 bereits 131 Namen der „Schönen Literatur“ und 141 Autorinnen und Autoren der „Politik- und Staatswissenschaften“ umfasste. Die „Liste Nummer 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums““ enthielt 1939 dann 4.175 Einzeltitel und 565 Verbote von Gesamtwerken.
Ein trauriges Kapitel ist, dass der im „Börsenverein“ organisierte deutsche Buchhandel schon am 12. April 1933 erklärte, die „nationale Erhebung“ zu unterstützen. Wenige Tage später veröffentlichte der Verband im „Börsenblatt“ eine Liste „undeutscher“ Schriftstellerinnen und Schriftsteller, was für die Genannten teilweise tödliche Folgen hatte. – Der Börsenverein hat Lehren aus seiner Geschichte gezogen und engagiert sich heute für Meinungsfreiheit: https://www.woche-der-meinungsfreiheit.de
Heute haben wir das Recht, uns jederzeit in allen zugänglichen Quellen informieren zu dürfen, unsere Meinung jederzeit vertreten und verbreiten zu können. Das darf uns nicht in Zufriedenheit und Sicherheit wiegen. Diese Rechte sind für uns Freiheit nur dann, wenn wir sie nutzen. Die Zeiten lassen sich selbstverständlich nicht vergleichen, aber die Möglichkeiten der Irreführung, der Verfälschung, der Manipulation sind vorhanden, differenzierter, schlechter erkennbar geworden. Für die Beschränkung von Informations- und Meinungsfreiheit braucht man keine Scheiterhaufen mehr. Die Methoden der Meinungsmanipulation sind vielfältiger, raffinierter, hinterhältiger geworden. Deshalb müssen wir gut aufpassen. Heute gibt es Informationskampagnen, Werbeschlachten; Werbeagentouren; Kommunikationsspezialisten, Meinungsforscher zielen auf uns. Aber wir haben die Freiheit alles zu hinterfragen …
Der Kampf um eine offene Diskussionskultur ist alltäglich; das haben wir spätestens während Corona erfahren. Und auch nicht erst seit dem Ukraine-Krieg erleben wir, dass Manipulationsversuche alltäglich sind, Propaganda-Schlachten toben und kritisches Fragen schon zu diffamierenden Wortgefechten führen kann. Was wir heute als Meinungskampf, an Verbreitung von Medienfachleuten geschickt aufbereiteter Fakten erleben, garniert mit Meinungsäußerungen fordert uns. Demokratie ist eine gute Sache, sie fordert aber unseren vollen Einsatz: Informieren, Nachdenken …
Hermann Zoller
Lesetipps
Volk im Wahn, Helmut Ortner,
Edition Faust Frankfurt, 296 Seiten, 22 Euro
ISBN 978-3-949774-04-1
Das Buch der verbrannten Bücher, Volker Weidermann,
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2008, 32 Euro
ISBN 9783462039627
Verbrannte Orte – Nationalsozialistische Bücherverbrennungen in Deutschland, Jan Schenck (Hrsg.),
Mandelbaum Verlag, Wien, 2023, 25 Euro
ISBN: 978399136-005-6