Schluss mit der Basta-SPD! - Will einen Neuanfang in der SPD: Hermann Scheer

Veröffentlicht am 09.10.2009 in Partei

Trümmerfeld SPD – nach dem 23-Prozent-Debakel müssen Konsequenzen gezogen werden, schreibt SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer in einem Gastbeitrag für stern.de: Schluss mit dem Gemauschel, Schluss mit den Basta-Ansagen, Schluss mit der Angst vor linker Politik. Wir stellen den Artikel unseres Bundestagsabgeordneten zur Diskussion:



Es ist nicht besonders schwer zu erkennen, welche äußeren Faktoren den Absturz der SPD herbeiführten. Er deutete sich ja bereits jahrelang an. Die Strategen der SPD wollten kein "linkes Lager", als sich das "rechte Lager" von Union und FDP längst wieder gebildet hatte. Sie wollten die Große Koalition, ohne es zu sagen, und bewarben sich öffentlich als Freier der FDP, die zugleich als neoliberaler Horror gebrandmarkt wurde. Die Hartz-Gesetze wurden noch selbstherrlich als historisches Verdienst und Erfolg gepriesen, als der Bedarf nach Korrekturen längst erkannt war und solche schon eingeleitet wurden. Es gab eine mangelnde Sensibilität gegenüber dem verletzten Stolz vieler Menschen, die als Hartz IV-Empfänger von Kopf bis Fuß finanziell durchleuchtet wurden. Andererseits gab es auch eine Senkung des Spitzensteuersatzes und der Unternehmenssteuern noch unter Rot-Grün, ohne dass die damit verbundene Erwartung Realität wurde, dass dann die Investitionen sprudeln würden – stattdessen wurde die Gerechtigkeitslücke größer.

Der Wahlerfolg im Januar 2008 und die geplante Regierungsübernahme in Hessen war vom rechten Parteiflügel erkennbar nicht gewünscht, weil Andrea Ypsilanti für ein anderes SPD-Profil stand. Ihr Wortbruch, nicht mit der Linkspartei zu kooperieren, wurde von denselben als unverzeihlicher Sündenfall skandalisiert, die 2005 gleich zwei Wortbrüche begingen: Keine Große Koalition einzugehen und die „Merkelsteuer“ zu verhindern. Im Klimaschutz wollte die SPD-Regierung treibende Kraft sein, dennoch warb sie für neue Kohlekraftwerke. Die Bahnprivatisierung lehnte die SPD ab, aber ihre Bundesminister betrieben sie. Und: Das Wahlrecht – mit seinen die Union im Wahljahr 2009 absehbar begünstigenden Überhangmandaten – wurde als verfassungswidrig gebrandmarkt, aber Änderungen am Wahlverfahren gemeinsam mit der Union abgelehnt.

Die Konsequenz aus 20 verlorenen Wahlen

Zu viele Widersprüche auf einmal, die erkennen lassen: Die SPD ist nicht mehr bei sich selbst. So entstanden die Fadenrisse zwischen der Regierungs-SPD und ihren Mitgliedern sowie zwischen der SPD und ihren Wählern, die sich in alle Himmelsrichtungen verstreuten. Es war ein langer Prozess, der schon kurz nach der Wahl 1999 begann, bis zum vorläufig bitteren Ende. Er war nur kurzzeitig unterbrochen von dem spektakulären Parteispendenskandal der CDU im Jahr 2000 und von den beiden jähen Aufschwüngen in den Wochen vor den Bundestagswahlen 2002 und 2005, als Gerhard Schröder mit einer dann links orientierten Zuspitzung sein Können als Wahlkämpfer ausspielte.

Doch warum wurden die vielen Signale aus 27 Wahlen seit der Bundestagswahl 2002 nicht wirklich beachtet? 20 von den 27 Wahlen endeten mit Minuswerten und nur sieben mit meist geringen Pluswerten für die SPD. Der Länder-Tiefpunkt seit 2002 war das niedersächsische Wahldebakel Sigmar Gabriels im Februar 2003 mit einem Verlust von 14,5% - sogar noch ohne neue Konkurrenz von links. Der einzige wirkliche Ausreißer nach oben war die hessische Landtagswahl am 28. Januar 2008 mit einem Zugewinn von 7,6%, trotz neuer linker Konkurrenz - nicht zufällig errungen mit einem politischen Profil, das sich in seinen Eckpunkten von der Bundespartei deutlich unterschied und konfliktbereit erstritten wurde.

Die Partei als lästiges Beiwerk

Der tiefere Grund der mangelnden Sensibilität gegenüber den selbstproduzierten Widersprüchen liegt in der Methode des „modernen Regierens“, die sich die SPD unter Gerhard Schröder angeeignet hat: autokratisch, selbstgerecht, mit einer Ideologie der Ideologiefreiheit. Ein technokratisch-gouvernementalistischer Stil, in dem die eigene Partei und die eigene Fraktion nur noch als Störfaktor gesehen und bloß noch zum Abnicken gebraucht werden, als eigentlich lästiges und querulantenhaftes Beiwerk. Das ist eine Regierungsmethode, die in einer offenen Gesellschaft anachronistisch ist und mit der ein systematisch irreales Politikverständnis entstand, dass es nur noch auf die mediale Inszenierung vor allem des Spitzenkandidaten ankäme, auf einen „deus ex machina“ – als hätten wir kein vielgliedriges, gewaltengeteiltes, politisches System, in dem nicht einfach durchregiert werden kann. Es ist die Methode der Überpersonalisierung der Politik und einer Unterbewertung politischer Programme.

Letzteren wird schon deshalb immer weniger Glauben geschenkt, weil der Eindruck vorherrscht, dass das jeweilige Führungspersonal sie selbst kaum noch ernst nimmt. Vor allem aber ist es eine Methode der ständigen Verwechslung der veröffentlichten Meinung, auf deren Beeinflussung sich die Aufmerksamkeit des Spitzenpersonals konzentriert, mit den tatsächlichen öffentlichen Meinungen – also den sich in der Bevölkerung sammelnden Erfahrungen und Meinungsströmungen.

Indem als Öffentlichkeit nur noch die geringe Zahl derjenigen gezählt wird, die sich laut Gehör verschaffen kann, entstand ein selbstreferentielles System einer sich laufend selbst bestätigenden SPD-Führung. Das Kriterium ist der Bekanntheitsgrad des Personals, nicht dessen tatsächliche Kompetenz, und das virtuelle Wahlvolk sind dann die Medien, während das tatsächliche Wahlvolk – Fraktionen und Parteimitglieder einerseits, Bürger bei allgemeinen Wahlen andererseits – nur noch akklamieren soll. So entstehen Führungskasten, die sich von ihrer Basis entfernen, und so wächst der Zwiespalt zwischen Repräsentanten und Repräsentierten, so wie er sich am Wahlsonntag allen voran für die SPD zeigte.

Kohl'sche Methoden in der SPD

„Gefährlicher Sieg“ nannte Heiner Geißler sein Buch, das er nach der Bundestagswahl 1994 veröffentlichte, in der die Union noch einmal knapp ihrer Abwahl entgangen war. Um ihre Macht nicht zu verspielen, müsse sie dringend auf „Argumentation und Diskussion“ statt auf „Pression und Sanktion“ setzen. Es müsse Schluss sein damit, „Entscheidungen in Koalitionsausschüssen, Elefantenrunden und Chefgesprächen unter souveräner Nichtbeachtung der demokratischen Willensbildung“ zu treffen und den Abstimmenden „die Pistole auf die Brust zu setzen und zu sagen: Vogel, friss oder stirb!“ Er forderte seine Fraktion und Partei auf, sich von den „Quasi-Beschlussorganen zu emanzipieren“ und die Entscheidungen wieder in den demokratisch legitimierten Beschlussorganen zu treffen. Geißlers Warnung wurde missachtet und es folgte 1998 der Verlust der Regierungsmacht der Union.

Dass die folgende rot-grüne Bundesregierung nahtlos an die Kohl'sche Regierungsmethode anknüpfte, ist der „innere Faktor“ des schon bald nach 1998 einsetzenden und seitdem anhaltenden Schwunds der Mitglieder- und Wählerbasis der SPD. Aus Kohls „Die Hunde bellen und die Karawane zieht weiter“ wurde Schröders „basta“. Und je mehr dies die Bundestagsfraktion mit sich machen ließ, desto funktionsloser wurde zwangsläufig auch die Partei, die sich als entmündigt erkennen musste. Die offene Diskussion über personelle und praktische Alternativen wurde abgelöst durch eine von den Regierungsmitgliedern beanspruchte bedingungslose Meinungs- und Gefolgschaftstreue. Damit kam der SPD-Führung das wichtigste Element jedes demokratischen Prozesses abhanden: das Sensorium für die Akzeptanz des Beschlossenen, die Frühwarn- und Korrektivfunktion. Loyalität wurde zum Einwegverfahren: Von unten nach oben verlangt, von oben nach unten verkannt.

Die verdorrten Wurzeln an der Basis

Stets hieß es, Einwände oder Veränderungsvorschläge gegenüber Regierungsvorlagen würden das Ansehen des Kanzlers, des zuständigen SPD-Ministers oder des Parteivorsitzenden beschädigen. Ein Unfehlbarkeitsanspruch wurde erhoben, der oft genug in starkem Kontrast zur Qualität der beschlossenen Maßnahmen stand. Es ist diese Selbstherrlichkeit, die die SPD zu lähmen begann und ihre Mitglieder demotivierte, die sich zunehmend überflüssig fühlten. Gesetze, die gegen den erkennbaren Willen von Fraktion und Partei durchgedrückt werden, werden dann auch von den Abgeordneten in ihren Wahlkreisen nicht mehr vertreten. So verdorrten die Wurzeln der SPD, denen die SPD-Regierung ihre Position und Machte verdankte.

Diese Methode „modernen Regierens“ übersieht, dass allein das formale Durchsetzen von Vorgaben durch Loyalitätsverlangen zwar einige Zeit ausreichen mag, um Entscheidungen herbeizuführen. Aber die Legitimation geht dabei verloren, die auf Identifizierung und innerer Übereinstimmung beruht. Dass dies die SPD mehr als andere mit mehr Wucht getroffen hat, erklärt sich nicht nur aus der elfjährigen Regierungsverantwortung, sondern aus einem unter SPD-Mitgliedern und -Wählern durchschnittlich höherem Demokratiebewusstsein. Dies kollidierte zunehmend mit der Erwartung, die eigenen Mandats- und Funktionsträger sollten bitteschön die Erfolge des Regierungshandelns preisen und über Fehler und Misserfolge gefälligst schweigen, also der höheren Weisheit ihrer Regierungsmitglieder und Parteiführung folgen sollen.

Mehr Demokratie wagen

Basta-Politik funktioniert stets nur, wenn diese auch tatsächlich abgenickt wird. Die Revitalisierung der SPD wird nur gelingen, wenn das Abnicken beendet wird. Die SPD muss vor allem in sich selbst wieder „mehr Demokratie wagen“ statt „mehr Demokratie zu vermeiden“. Basta mit „basta“ und abnicken! Dazu gehört eine selbstkritische Bestandsaufnahme über die Inhalte und die Methoden der SPD-Politik ohne falsche personelle Rücksichtnahme. Dies kommt selten von oben. Es muss von unten kommen. Nur so entsteht neue Motivation und Kraft, die wieder zu einer tragfähigen demokratischen Basis als Volkspartei führt, die diesen Begriff verdient.

 
 

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