Einspeisevergütung ist keine Subvention - Hermann Scheers Rede zum 10jährigen Bestehen des EEG

Veröffentlicht am 11.03.2010 in Bundestagsfraktion

In seiner Bundestagsrede zum zehnjährigen Bestehen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hat Dr. Hermann Scheer, MdB und Präsident von EUROSOLAR, das EEG als marktwirtschaftliches Instrument zur Schaffung eines echten Energiemarkts eingeordnet.

Es schaffe überhaupt erst "die Voraussetzungen, dass künftig tatsächlich von einem Energiemarkt geredet werden kann", sagte Scheer. "Markt heißt nicht: Wenige Anbieter oder gar nur einen Monopolisten mit Millionen Kunden, sondern Markt heißt: Möglichst viele Anbieter. Deswegen ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit all dem, was es bewirkt hat, ein Weg zur tatsächlichen Schaffung von Energiemarktbedingungen in der Gesellschaft."

Wenn es aus ökologischen und weiteren gesellschaftlichen Überlegungen politisches Ziel bleibe, auf Erneuerbare Energien umzusteigen, müsse ein Ausgleich gegenüber der hochkonzentrierten und hochprivilegierten herkömmlichen Energieversorgung geschaffen werden, sagte Scheer weiter. "Dann bedarf es zur Herstellung von Marktgleichheit einer gesonderten Privilegierung Erneuerbarer Energien."

Scheer, der einer der "Väter" des am 25. Februar 2000 vom Bundestag verabschiedeten EEG ist, widersprach der wiederholten Behauptung, die gesetzliche Einspeisevergütung sei eine "Subvention". Dieser vorwurfsvoll verwendete Begriff sei falsch, "denn die öffentlichen Kassen sind gar nicht involviert". Bei der garantierten Einspeisevergütung handele es sich um eine "Kaufpflicht" aller Stromkunden, die im zwingenden öffentlichen Interesse liege.


Plenarprotokol von Dr. Hermann Scheers Rede am 26. Februar 2010 im Deutschen Bundestag:

Dr. Hermann Scheer (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zehn Jahren hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der SPD, der Fraktion der Grünen und der PDS sowie mit einigen Stimmen aus der CDU/CSU-Fraktion das Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschiedet. Dieses Gesetz ist in der Tat das erfolgreichste Gesetz zur Mobilisierung erneuerbarer Energien in der ganzen Welt geworden. Über 45 Länder haben dieses Gesetz inzwischen übernommen, weil sie sehen: Es ist der schnellste Weg zur Mobilisierung erneuerbarer Energien, der denkbar ist, und allen anderen Politikansätzen überlegen; daran kommt niemand mehr vorbei. Das hat uns in eine federführende Position gebracht, nicht nur bei der Einführung, sondern auch bei der Entwicklung und der industriellen Produktion erneuerbarer Energietechniken.

Dieses Gesetz muss weitergeführt werden. Es muss nahtlos weitergeführt werden können. Es hat eine unselige Entwicklung überwunden, die hier und andernorts lange Zeit vorherrschte. Es gab pausenlos Stop-and-go-Programme, die es unmöglich gemacht haben, dass auf diesem Gebiet eine industrielle Entwicklung stattfinden konnten.

Dieses Gesetz wurde aber immer infrage gestellt - es wird auch heute noch infrage gestellt -, weil es den herkömmlichen energiewirtschaftlichen Strukturen und den dahinterstehenden Interessen widerspricht. Es ist die Einleitung eines Strukturwandels, der unabdingbar ist und der selbstverständlich kein Win-Win-Konzept darstellen kann. Wir machen uns etwas vor, wenn das behauptet wird; denn der Strukturwandel in der Energieversorgung, der historisch ansteht, ist zwangsläufig ein Strukturwandel von einer überwiegend zentralisierten Energieversorgung, vor allem im Strombereich, um den es hier geht, hin zu einer dezentralen Energiebereitstellung. Das hängt mit der Natur der Energiequellen zusammen. Es ist ein Strukturwandel weg von einem Brennstoffmarkt hin zu einem Technologiemarkt; denn bei erneuerbaren Energien, außer bei der Bioenergie, werden alle Brennstoffe kostenlos von der Natur bereitgestellt.

Es ist klar, dass das Ziel, den Ausbau der erneuerbaren Energien bis hin zur Vollversorgung zu ermöglichen, bedeutet, dass der Brennstoffmarkt allmählich verschwinden und irgendwann nicht mehr vorhanden sein wird. Ansonsten brauchte man mit der Förderung der erneuerbaren Energien gar nicht erst anzufangen, wenn es gleichzeitig darum ginge, das Öl-, Gas-, Kohle- oder Urangeschäft in der Weltwirtschaft aufrechtzuerhalten. Das ist das Prinzip.

Woher kommen die Infragestellungen? Worüber wird heute und wahrscheinlich auch in den nächsten Wochen debattiert? Die Frage ist: Entspricht dieses Vorgehen Marktprinzipien oder nicht? Es gibt bestimmte, sehr oberflächliche Marktvorstellungen die dem Erneuerbare-Energien-Gesetz immer wieder entgegengestellt werden, die aber einer näheren Betrachtung nicht standhalten. Marktprinzip heißt, an allererster Stelle Marktgleichheit zu ermöglichen. Marktgleichheit kann nicht bestehen, wenn es über viele Jahrzehnte hinweg durch gesetzliche Privilegien wie durch viele Milliarden an Subventionen zu einer hochkonzentrierten, herkömmlichen Energiewirtschaft gekommen ist und wenn dann im Zuge der Liberalisierung gesagt wird: Jetzt können die hochgepäppelten Energieunternehmen in ihrer erworbenen und über Jahrzehnte hinweg politisch gestützten Stellung so weitermachen wie bisher; gleichzeitig sollen neue Energietechnologien dagegen antreten. Das heißt, es gab und gibt noch immer nicht die Situation von Marktgleichheit.

Wenn es aber aus zwingenden ökologischen und weiteren gesellschaftlichen Überlegungen politisches Ziel ist, auf die erneuerbaren Energien umzusteigen, dann muss ein Ausgleich gegenüber der hochkonzentrierten und hochprivilegierten Situation herkömmlicher Energieversorgung geschaffen werden. Dann bedarf es zur Herstellung von Marktgleichheit einer gesonderten Privilegierung erneuerbarer Energien. Das drückt das Gesetz aus.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gesetz heißt nicht zufällig ?Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien?. Das ist der eigentliche Sinn des Gesetzes. Es ist nicht marktwidrig, sondern es schafft überhaupt erst die Voraussetzungen, dass künftig tatsächlich von einem Energiemarkt geredet werden kann. Es wird auch dazu führen, dass es statt weniger Anbieter sehr viele Produzenten und Anbieter geben wird. Markt heißt nicht wenige Anbieter oder gar nur einen Monopolisten mit Millionen Kunden, sondern Markt heißt möglichst viele Anbieter. Deswegen ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit all dem, was es bewirkt hat, ein Weg zur tatsächlichen Schaffung von Energiemarktbedingungen in der Gesellschaft. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der in der Debatte nicht vergessen werden darf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es falsch, im Zusammenhang mit der Einspeisevergütung das Wort ?Subvention? in den Mund zu nehmen. Dieses Wort kommt manchem allzu schnell über die Lippen. In einigen Fällen wird es leichtfertig verwendet; in der Regel ist es vorwurfsvoll gedacht.

Die Einspeisevergütungen, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert, sind aber keine Subvention. Wenn Sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom März 2001 zum deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz lesen, erkennen Sie, dass der Europäische Gerichtshof den Faden aufgenommen hat, der bei der Begründung, Erstellung und Abfassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Vordergrund stand. Zunächst trifft der Subventionsbegriff der EU auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht zu. Unter einer Subvention im EU-Sinne wird nämlich direkte oder indirekte staatliche Hilfe verstanden. Die gibt es bei der Einspeisevergütung des EEG nicht; denn die öffentlichen Kassen sind gar nicht involviert.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, der viel tiefer geht: Bei der garantierten Einspeisevergütung handelt es sich um eine Kaufpflicht, die - mit gewissen Ausnahmen bei Großverbrauchern - alle Stromkunden betrifft. Eine Kaufpflicht kann nur begründet werden, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse erkennbar ist. Keiner bestreitet mehr, dass es ein öffentliches Interesse an einer Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien gibt. Das öffentliche Interesse ist also eindeutig gegeben. Dieses öffentliche Interesse wird durch die Kaufpflicht umgesetzt. Wenn in Deutschland heute 16 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, heißt das, dass schon heute praktisch jeder einzelne Stromkunde in Deutschland zu 16 Prozent Ökostrom bezieht; das ist eine automatische Folge der Kaufpflicht.

Kaufpflichten im öffentlichen Interesse gibt es zuhauf: Denken Sie nur an die Haftpflichtversicherung, die abschließen muss, wer Auto fahren will. Niemand darf ohne Haftpflichtversicherung Auto fahren. Niemand käme auf die Idee, das eine Subventionierung der Haftpflichtversicherer zu nennen. Es gibt ein öffentliches Interesse daran, dass jeder eine Haftpflichtversicherung hat: dass sich niemand seiner Verantwortung für Schäden, die er verursacht hat, entzieht. Dasselbe gilt für Hausversicherungen und viele andere Sachen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit!

Dr. Hermann Scheer (SPD):

Vor dem Hintergrund der Philosophie dieses Gesetzes und seiner Wirkungen, die historisch genannt werden dürfen, bitte ich darum, diese Debatte mit den richtigen Begriffen und mit den richtigen Inhalten zu führen, vor allem wenn es darum geht, dieses lernende Gesetz, das ständig weiterentwickelt wird und werden muss, so zu gestalten, dass der Erfolg dieses Gesetzes nicht gefährdet wird. Letztlich geht es darum, dass Deutschland seinen Energiebedarf so schnell wie möglich vollständig aus erneuerbaren Energien deckt.

 
 

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